Ausflug nach Magdeburg am 15. August 2015
Auf nach Magdeburg
Schon lange hatte die mit uns befreundete Selbsthilfegruppe Amputierter in Magdeburg, die fast regelmäßig an unseren Gruppentreffen teilnimmt, uns Berliner und Brandenburger in ihre Stadt eingeladen. Am Sonnabend den 15. August war es nun so weit. Frühmorgens machten wir uns in Fahrgemeinschaften und mit mehreren Pkw auf den Weg. Ein Parkplatz am Elbufer war unser Ziel, mit genauer Adresse für die Navis.Einige von uns lernten einmal mehr, dass das beste Navigationsgerät nichts nützt, wenn eine innerstädtische Baustelle nicht angezeigt wird und man im Kreis herumirrt! Die Verspätung war aber gering, und wir trafen alle auf dem Parkplatz zusammen. So viele waren gekommen! Die Begrüßung war herzlich. Viele freuten sich darüber, die ihnen nicht zuletzt durch die Reisen nach Andalusien gut bekannte Gehschultrainerin Mandy Küsel wiederzusehen.
Stadtrundfahrt in der Ottonen-Stadt
Wir bestiegen einen bequemen Reisebus, der von Kerstin und Hartmut organisiert worden war. Der Fahrer und ein zusätzlich engagierter Reiseleiter begrüßten uns an Bord. Dann ging es los zu einer rund zweistündigen intensiven Stadtrundfahrt.
Am Elbeufer hatten wir schon gesehen, dass offensichtlich sehr wenig Wasser im Fluss war. Aber erst der Blick aus dem Bus machte deutlich, wie gering der Wasserstand wirklich war (wer hat denn hier den Stöpsel gezogen?). Der Pegel zeigte nicht mehr als 51 cm, ein geradezu historischer Tiefstand. Die gesamte Schifffahrt ruht natürlich bei so wenig Wasser, und kein einziger Ausflugsdampfer war zu sehen. Das störte uns zunächst aber nicht, denn nun ging es los mit dem Bus, kreuz und quer durch die alte Bischofsstadt Magdeburg, die mit heute rund 200 000 Einwohnern zwar etwas geschrumpft, aber immer noch eine stattliche Stadt ist. Im 9. Jahrhundert als Sitz Otto I. gegründet wurde die Stadt früh Bischofssitz, wovon der prächtige Dom noch heute kündet. Unser Reiseleiter, eloquent und unterhaltsam, zeigte uns auch die alte Stadtmauer, die einst eine eng bebaute Altstadt schützte. Davon ist heute als Folge des Krieges leider nichts mehr zu sehen.
Das Luther-Denkmal kündet davon, dass Magdeburg sich früh der Reformation anschloss. Weltoffen und frei im Denken war die Stadt, als sie Protestanten, die aus Frankreich und Wallonien fliehen mussten, aufnahm. Auch damals gab es eine Flüchtlingsbewegung in Europa. Die Wallonierkirche zeugt noch heute davon. Wunderbare restaurierte Straßenzüge mit prächtigen Häusern der Gründerzeit und des Jugendstils dokumentieren die Zeit eines wohlhabenden Bürgertums. Vieles ist hier seit der Wende wiedererstanden. Die Landesregierung verschanzt sich nicht hinter hohen Mauern oder Zäunen. Beim Ministerpräsidenten und dem Justizminister in ihren renovierten historischen Dienstgebäuden am Domplatz und anderen Regierungsmitgliedern kann man an die Tür klopfen. Das wirkt bürgernah und sympathisch.
Das Stadtzentrum glänzt mit einer Prachtstraße, die mit Gebäuden im sowjetischen Zuckerbäckerstil an die Karl-Marx-Allee in Berlin erinnert. Die unvermeidlichen Einkaufstempel der Neuzeit, überall gleich gesichtslos, wirken dagegen phantasielos und profan. Großzügig sind die Parkanlagen an den Elbauen, mit Golfplatz und Hotel eine Oase unmittelbar an der Stadt. Die alten Elbarme sind darüber hinaus ein Paradies für Flora und Fauna. Auf der Elbinsel gibt es eine imposante Stadthalle aus dunklem Backstein. Die häufigen Hochwasser ziehen das Gebäude aber regelmäßig in Mitleidenschaft. Eigentlich war an der Stadthalle eine Rast im Park Café geplant. Die fiel leider einem Wolkenbruch zum Opfer, der die meisten von uns im Bus festhielt. Die wenigen, die schon ausgestiegen waren, kamen ziemlich pudelnass zurück! Kurzerhand verlegten wir die Mittagspause in das supermoderne Gebäude des Mitteldeutschen Rundfunks, dessen Kantine groß genug war, unsere Gruppe spontan aufzunehmen. Es gab Currywurst mit Pommes (eine Berliner Currywurst war es natürlich nicht, aber trotzdem lecker!) oder Soljanka und guten heißen Kaffee.
Von der Elbinsel aus warfen wir einen Blick auf die Stadt mit dem Dom. Das extreme Niedrigwasser hatte den Felsen unterhalb des Doms im Fluss, die bekannte Domplatte, gänzlich freigelegt. Menschen gingen darauf spazieren. Man konnte gut sehen, wie sehr die Domplatte dort auch bei normalem Wasserstand die Fahrrinne für die Schifffahrt verengt. Modern zeigt sich die Stadt mit den Gebäuden der Universität, um die sich zahlreiche andere Forschungsinstitutionen angesiedelt haben. Die Stadtrundfahrt war damit beendet. Rasend schnell war die Zeit vergangen, und mit viel Beifall verabschiedeten wir unseren Reiseleiter.
Mit dem Bus zum Wasserstraßenkreuz
Eigentlich hatten die Magdeburger geplant, uns nach der Stadtrundfahrt auf einen Dampfer zu verfrachten und auf dem Schiff die Besichtigungstour fortzusetzen. Diese Planung ….fast hätte ich geschrieben: „fiel ins Wasser“, aber das fehlte ja gerade! Die gesamte Schifffahrt war ja wegen des Niedrigwassers eingestellt. Glücklicherweise war der Fahrer unseres Busses eingesprungen; er machte mit uns die Tour, die wir sonst mit dem Schiff zurückgelegt hätten.
Denn bei Magdeburg sind mehrere Bauwerke für die Binnenschifffahrt entstanden, die beachtenswert sind und deshalb viele Besucher anziehen. Dazu gehören ein Schiffshebewerk, mit dem Schiffe wie in einem Aufzug einen Höhenunterschied von 16 Metern überwinden können, und eine Trogbrücke, die den Mittellandkanal über die Elbe führt. Diese Brücke ist mit über 900m Länge und einer schiffbaren Breite von 34m das größte Bauwerk dieser Art in der Welt! Die gesamte Anlage, zu der auch noch eine Reihe von Schleusen gehört, macht den durchgehenden Schiffsverkehr zwischen dem westdeutschen Fluss- und Kanalnetz einerseits und Elbe und Oder andererseits möglich, oder kurz gesagt: zwischen Rhein und Oder kann man bequem mit dem Schiff fahren. Als Teil der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ und einziges Großprojekt für die Binnenschifffahrt wurde die gesamte Anlage nach nur wenigen Jahren Bauzeit 2003 fertiggestellt.
Wir konnten miterleben, wie ein Fahrgastschiff mit dem Schiffshebewerk vom Mittellandkanal auf die Ebene der Elbe abgesenkt wurde. Viele von uns bestiegen dafür den fünf Stockwerke hohen Turm der Betriebszentrale (Beinamputierte nutzen ja jede Möglichkeit zum Training….!), von dem aus es einen sehr guten Überblick gab. Anschließend fuhren wir weiter nach Niegripp zur dortigen „Sparschleuse“. Unser Busfahrer machte es möglich, mit Erlaubnis der Wasserstraßenverwaltung bis auf das Betriebsgelände zu fahren. Die gesamte Anlage ist sehr eindrucksvoll. Hunderttausende Tonnen Stahl und Beton wurden verbaut; trotzdem fügt sich gerade die lange Trogbrücke sehr harmonisch in die Landschaft ein. Wir werden sicher bei der nächsten Fahrt auf der A 2 den Blick Richtung Norden wenden und versuchen, die Brückenpfeiler zu erspähen.
Auf der Rückfahrt zeigte unser Busfahrer uns noch das kleine Städtchen Burg, durch dessen enge Bebauung im Zentrum sich die Bundesstraße B 1 windet. Burg hat nicht nur einen Roland auf dem Marktplatz, sondern hatte früher einmal einen Rekord inne: Die einstige Schuhfabrik Conrad Tack war einmal die größte in Europa!
Nach einer kleinen Pause mit leckerem Eis kehrten wir zurück nach Magdeburg. Mit ein wenig Wehmut nahmen alle Abschied voneinander und bestiegen die Autos für die Rückfahrt. Der Tag hat die Berliner, Brandenburger und die Sachsen-Anhaltiner nicht nur wieder einmal zusammen-, sondern uns einander auch nähergebracht. Unser Dank gilt vor allem Kerstin und Hartmut, die alles prima geplant und organisiert haben! Wir kommen gerne einmal wieder!
Wolfgang Hahn